Politischer Salon Konz

         




Demokratie braucht das politische Gespräch

Der Politische Salon Konz beschäftigt sich seit Februar 2018 regelmäßig - nur unterbrochen durch die Pandemie – mit aktuellen politischen Themen und Herausforderungen. 


Nächste Veranstaltung:

14. Mai 2023
im Konzer-Doktor-Bürgersaal, Wiltinger Str. 10 - 12


Wem gehört der Tod?
Sterbehilfe in Deutschland




Vor drei Jahren hat das Bundesverfassungs-gericht das damals geltende gesetzliche Verbot der „gewerblichen Suizidhilfe“ (§217 StGB) für verfassungswidrig erklärt und außer Kraft gesetzt. Seitdem gibt es eine breite, kontroverse Debatte über die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Die Positionen reichen von der Forderung nach einem „Recht auf letzte Hilfe“ und auf Unterlassung einer Neufassung des § 217 bis hin zu drei verschiedenen Gesetzentwürfen mit einschränkenden Bedingungen der Suizidhilfe.
Der Politische Salon zum Thema „Wem gehört der Tod“ verfolgt nicht das Ziel einer Debatte über das moralische Für und Wider des Suizids und der Sterbehilfe. Es geht vielmehr um einen Austausch über die Hintergründe und den Kern des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 26.2.2020 sowie über aktuell vorliegende Positionen und Gesetzentwürfe.
Als Experte wird uns Benjamin Knops, Richter am Sozialgericht in Trier, dabei behilflich sein.


Leitsätze des Urteils im Wortlaut


L e i t s ä t z e
Zum Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020
(http://www.bverfg.de/e/rs20200226_2bvr234715.html)


1. a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
b) Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.
c) Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.

2. Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Das in § 217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung macht es Suizidwilligen faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte, geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.

3. a) Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist am Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit zu messen.
b) Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Regelung der assistierten Selbsttötung sich in einem Spannungsfeld unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Schutzaspekte bewegt. Die Achtung vor dem grundlegenden, auch das eigene Lebensende umfassenden Selbstbestimmungsrecht desjenigen, der sich in eigener Verantwortung dazu entscheidet, sein Leben selbst zu beenden, und hierfür Unterstützung sucht, tritt in Kollision zu der Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen.

4. Der hohe Rang, den die Verfassung der Autonomie und dem Leben beimisst, ist grundsätzlich geeignet, deren effektiven präventiven Schutz auch mit Mitteln des Strafrechts zu rechtfertigen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte, für die Autonomie gefährliche Formen der Suizidhilfe unter Strafe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Einzelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet bleibt.

5. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 Abs. 1 StGB verengt die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung in einem solchen Umfang, dass dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit verbleibt.

6. Niemand kann verpflichtet werden, Suizidhilfe zu leisten.